15.02.2015: Rede auf der NOGIDA-Abschlusskundgebung am 09.02.15Vorsitzende von StuRa und dem StuPa der PH halten gemeinsame Rede auf Kundgebung für Weltoffenheit und ToleranzAn der Abschluss-Demonstration von NOGIDA (Notleidende Offenherzig in die Gemeinschaft in Deutschland aufnehmen) am Montag, den 09. Februar, beteiligten sich auch der StuRa der Uni Heidelberg und das StuPa der Pädagogischen Hochschule. Die zwei Vorsitzenden des StuRa und der Politikreferrent des StuPa hielten stellvertretend für die zwei Verfassten Studierendenschaften eine Rede, die wir an dieser Stelle dokumentieren:
Liebe Heidelbergerinnen und Heidelberger,
mein Name ist Hera Sandhu. Glenn Bauer, Moritz Schilling und ich sprechen heute im Namen der Verfassten Studierendenschaften der Universität Heidelberg und der Pädagogischen Hochschule, wenn wir den Flüchtlingen nicht nur hierzulande, sondern weltweit unsere Unterstützung und Solidarität kundtun. Wir freuen uns, dass sich heute so viele Demonstrierende für Toleranz und Offenheit in unserer Gesellschaft versammelt haben.
Damit einhergehend wollen wir den fremdenfeindlichen Strömungen, die – wie das Phänomen PEGIDA zeigt – in der Mitte unserer Gesellschaft schwelen und mehr und mehr salonfähig werden, entschieden, aber dennoch friedlich und aufklärend entgegentreten. Wir wollen heute wieder ein Zeichen gegen Rassismus und gegen Ausgrenzung von Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund als dem unseren setzen. Vor allem wollen wir aber auch für eine offene Willkommenskultur, für Vielfalt und Toleranz – oder, noch besser: für Akzeptanz – werben.
PEGIDA ist kein isoliertes Phänomen: In den letzten Monaten haben sich bundesweit zahlreiche Splittergruppierungen formiert. Diese Gruppierungen einen vor allem diffuse Angst- und Verlustgefühle, aus denen in vielen Fällen auch offen zu Tage getragener Rassismus entsteht. Der Unmut von den Anhängerinnen und Anhängern dieser fremdenfeindlichen Bewegungen speist sich aus Unzufriedenheit mit der Politik sowie einem Mangel an Bildung und interkulturellem Austausch. Durch unbedachte Äußerungen von Politikerinnen und Politikern werden rechtspopulistische Parolen nicht nur verharmlost, sondern auch in das Gewand scheinbar berechtigter Anliegen gekleidet. Es liegt an uns, liebe Demonstrantinnen und Demonstranten, unseren Mitmenschen aufzuzeigen, dass ihre Ängste sich gegen die Falschen richten.
Von PEGIDA und Co. wird gerne angeführt, dass Flüchtlinge die Steuerzahlenden unzumutbar viel Geld kosten. Abgesehen davon, dass jeder Flüchtling Berechnungen zufolge ca. 30.000 Euro mehr in die Staatskassen spült, als er oder sie den Staat kostet, müssen wir endlich aufhören Flüchtlinge als ökonomischen Faktor zu definieren. Leider passiert genau das – etwa in der politischen Debatte – viel zu häufig. Leute, die unter menschenunwürdigen Bedingungen zwangsweise eine neue Heimat aufsuchen müssen, dürfen nicht länger als ökonomischen Faktor, sondern als das wahrgenommen werden, was sie sind: leidensfähige Lebewesen, die nicht das Glück hatten in einem Land geboren worden zu sein, wo Menschenrechte größtenteils geachtet werden und etwa der Ruf nach Gleichstellung der Geschlechter nicht sofort mit drakonischen Strafen einhergeht. Es liegt an uns denen zu helfen, die nicht dieses Glück haben. Wenn wir unsere Werte ernstnehmen wollen, reicht es nicht, sich auf deiner Demo zu solidarisieren. Sondern wir müssen unseren Worten auch Taten folgen lassen.
Es sind aber nicht nur die PEGIDA-Bewegungen, die landauf, landab demonstrieren und nachhaltige Ausrufezeichen unsererseits erfordern. Auch in den Medien, selbst in unserer lokalen RNZ, gab und gibt es vereinzelte Artikel, in denen verallgemeinernd bis hetzerisch Minderheiten stigmatisiert und diffamiert werden. Solche Berichterstattungen gießen Öl ins Feuer derer, wegen denen wir uns heute hier positionieren wollen und müssen. Exemplarisch ist hier die Berichterstattung über die Notunterkunft in Patrick Henry Village anzuführen.
Die Resonanz auf diese Berichterstattung im Internet ist beängstigend. Ein Kommentierender schlägt vor, dass man „morge doch mol üwer da bürgersteig fahre“ soll. Ein anderer ist sich sicher, dass es sich nicht um Kriegsflüchtlinge, sondern um Sozialschmarotzer handelt und fordert: „Schmeißt die Öfen wieder an. Da fällt mir der Name Adolf ein. Solche Flüchtlinge brauchen wir in unserem geliebten Vaterland nicht die haben keine Hilfe verdient.“ Dies alles sind Belege, dass wir den fremdenfeindlichen und faschistoiden Ansichten in diesem Land entgegentreten müssen.
Neofaschistische und rechtsextreme Übergriffe sind nicht erst in Deutschland vorhanden, seit PEGIDA und Co. sich formiert haben. Sie waren vor Rostock-Lichtenhagen präsent, und sie sind es auch heute. Seit 1990 sind über 800 Menschen bundesweit durch rassistisch motivierte Übergriffe ums Leben gekommen. Auch der Fall NSU hat gezeigt, dass rechter Terror hierzulande immer noch fatal unterschätzt, teilweise gar bagatellisiert wird, auch von behördlicher Seite. Setzt man sich mit dem Fall NSU auseinander, ist man sogar geneigt von Duldung und Unterstützung zu sprechen. Dementsprechend sind es keinesfalls infame Unterstellungen, dass PEGIDA nicht nur eine Wohlfühloase für rechts von der politischen Mitte stehende Menschen ist. Sondern PEGIDA speist sich eben auch aus Menschen, deren politische Ansichten jenseits der akzeptablen Grenzen der Meinungsfreiheit liegen. Dass rassistische Gewalt auch von den Befürworterinnen und Befürwortern PEGIDAs ausgeht, zeigt nicht zuletzt die Hetzjagd auf Jugendliche mit Migrationshintergrund kurz vor Weihnachten in Dresden. Selbst wenn derlei Übergriffe nicht auf Teilnehmende der PEGIDA-Demos zurückzuführen sein sollten, wie die Veranstaltenden immer wieder betonen, konstatiert die ARD, dass fremdenfeindliche Angriffe in Deutschland seit Beginn der PEGIDA-Demos um 130 Prozent zugenommen haben. Das wiederum erfordert von uns, dass wir aktiv werden, um ein Klima, das Gewalt gegen Minderheiten fördert, zu verhindern. Dies sind wir nicht nur allen Notleidenden und uns selbst, sondern gleichermaßen auch künftigen Generationen schuldig.
Wir verurteilen die in weiten Teilen der Gesellschaft vorhandene „Not-in-my-backyard-Mentalität“, wie sie gerade auch in der Hamburger Sophienterrasse zutage tritt und fordern alle Menschen dazu auf, sich – bspw. in Form von Kleiderspenden, Teilnahme an Demonstrationen, etc. – für eine echte Willkommenskultur und gegen Rassismus einzusetzen. Unser Verständnis von gesamtgesellschaftlicher Verantwortung darf sich nicht nur auf die Probleme vor unserer Haustür beziehen, sondern gleichfalls auf das Öffnen der Festung Europa, jenseits derer unzählige Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen leiden und verfolgt werden.
Theodor Adorno hat einst gesagt: „Ich fürchte nicht die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.“
Liebe Demonstrantinnen und Demonstranten, genau das passiert gerade in weiten Teilen der Gesellschaft und unter dem Dach der PEGIDA-Bewegungen. Da man schon einmal dachte, dass derlei Gedankengut in der Mitte unserer Gesellschaft harmlos sei, liegt es an uns dafür zu sorgen, den Anhängerinnen und Anhängern dieser Bewegungen, aber gleichfalls Europa und dem Rest der Welt zu signalisieren: wir dulden weder Rassismus noch Faschismus in unserer Gesellschaft!
Lasst uns gemeinsam für ein offenes Europa, für Akzeptanz und Solidarität eintreten! Für eine bunte, pluralistische Gesellschaft! Kein Mensch ist illegal! Nicht hier und nirgendwo sonst auf der Welt!
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