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Studierendenrat der Universität Heidelberg

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Viel Geld für nichts?
Anmerkungen zum Thema Studiengebühren

Im Mai 2003 reichten sechs unionsgeführte Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland, Hamburg) eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht ein. Sie klagten gegen das allgemeine Studiengebührenverbot und die im Hochschulrahmengesetz (HRG, mittlerweile ist auch dieses gekippt worden) festgesetzte Einführung von Verfassten Studierendenschaften, die in Bayern und Baden-Württemberg bereits 1973 bzw. 1977 abgeschafft wurde.

Am 26.01.2005 fiel das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem es nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundes läge, Rahmenregelungen für die Bildungspolitik der Länder festzulegen. Ein Verbot allgemeiner Studiengebühren sei nur dann zu rechtfertigen, wenn dies zur Wahrung oder Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland erforderlich sei. In diesem Fall sei aber kein Anlass zu solcher Sorge gegeben. Mit diesem folgenreichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde der Weg für allgemeine Studiengebühren in Deutschland geebnet. In der Folge führte Baden-Württembergs Landesregierung umgehend Studiengebühren von 500 Euro pro Semester ein.

Umgehende Einführung der Gebühren in Baden-Württemberg

Das Landeshochschulgebührengesetz (LHGebG) sieht die Erhebung allgemeiner Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester ab dem Sommersemester 2007 vor. Lediglich Studierende mit chronischer Erkrankung oder Behinderung, mit einem Kind unter acht Jahren oder mit zwei bereits an einer Universität in Baden-Württemberg studierenden Geschwistern werden laut Gesetz von der Gebührenzahlung befreit. Es steht den Universitäten darüber hinaus frei, Hochbegabte von den Studiengebühren zu befreien. Für Studierende, die die Studiengebühren nicht bezahlen können, werden von der Landes-Bank (L-Bank) Kredite mit einem Zinssatz von ca. 7% zur Verfügung gestellt. Das Risiko der L-Bank tragen die Universitäten und somit die zahlenden Studierenden, indem ein bestimmter Prozentsatz der Einnahmen aus Studiengebühren von den Hochschulen in einen landesweiten Ausfallfonds gezahlt werden, aus dem im Falle von Zahlungsunfähigkeit die Kredite an die L-Bank zurückgezahlt werden.

Die Zahlung von Studiengebühren wird in keiner Weise von den Einkommensverhältnissen einer Familie oder der finanziellen Situation des jeweiligen Studierenden abhängig gemacht. Lediglich bei den Rückzahlungsmodalitäten für die L-Bank-Kredite wird die maximale Verschuldungssumme zusammen mit den eventuell aus Bafög entstandenen Schulden auf insgesamt 15.000 Euro gedeckelt.

Klassenbildung statt klasse Bildung?

Mit der Verabschiedung des LHGEbG hat sich die Landesregierung endgültig von dem Grundgedanken einer frei zugänglichen und kostenfreien Bildung für Menschen aus allen sozialen Schichten (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Art.26) verabschiedet. Zugangsmöglichkeiten zur Hochschule werden vom Einkommensverhältnissen der Betroffenen abhängig gemacht und das Grundrecht Bildung, welches eine der wichtigsten Grundlagen unserer Gesellschaft und die Voraussetzung für Fortschritt und Entwicklung innerhalb derselben darstellt, damit systematisch unterminiert. Bereits jetzt ist in Statistiken klar ersichtlich, dass weitaus mehr Kinder aus einkommensstarken Familien ein Studium aufnehmen als Kinder aus einkommensschwächeren Familien. So ist der Anteil der Studierenden mit sozial niedriger bis mittlerer Herkunft im Zeitraum von 1982 bis 2003 von 57% auf 39% gesunken (vergleiche hierzu die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) und des Hochschul-Informations-Systems (HIS)) und dies, obwohl zu dieser Zeit noch keine Studiengebühren erhoben wurden.

Was auf Basis der Gesetzestexte zu vermuten ist, lässt sich insofern empirisch beobachten: wer im Zusammenhang mit Studiengebühren das Wort „sozial” in den Mund nimmt, ohne dabei zynisch klingen zu wollen, muss schon ordentlich Kreide gefressen haben. Wie an vielen Stellen ist auch hier die Rede von „Sozialverträglichkeit” allenfalls der Verschleierung wegen da: um als sozial zu kennzeichnen, was nicht sozial ist. Schaut man sich die Studienanfängerzahlen zum Wintersemester 2007/2008 bei den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes an, so wird deutlich, dass die Zahl der Studienanfänger insgesamt steigt, in Ländern mit Studiengebühren jedoch rückläufig sind (zur Information: erklärtes – oder zumindest nach außen hin vertretenes – Ziel der Bundesregierung ist es zugleich, die Studierendenquote auf 40% zu bringen). Obgleich diese vorliegenden Daten eine recht deutliche Sprache sprechen, gibt sich die Universität in der Hinsicht konsequent realitätsblind.

Geldsegen oder Danaergeschenk?

Tatsächlich sind die Hochschulen chronisch unterfinanziert. Dies liegt zum einen daran, dass deren Etats im Zuge der Bildungsexpansion nicht angepasst wurden, zum anderen an der systematischen Kürzungspolitik der vergangenen Jahre. Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang etwa der baden-württembergische „Solidarpakt” der 90er Jahre – hier zog das Land mit dem Holzhammer durch die Universitäten, ohne sich schlussendlich von seiner Seite aus an die getroffenen Abmachungen zu halten. Das indessen mit der Einführung von Studiengebühren den Universitäten mehr Mittel zur Verfügung stünden, ist nicht zu erwarten. Die wesentlichen Probleme lassen sich mit Studiengebühren gar nicht beheben. So müssen etwa feste Stellen im Haushalt vorgesehen sein und diese lassen sich nicht einfach durch Studiengebühren aus dem Boden stampfen. Schlimmer noch fällt das Urteil auf der Beobachtungsebene aus: Betrachtet man die Entwicklung nach der Einführung von Studiengebühren in anderen europäischen Ländern, so ist festzustellen, dass mit der Einführung der Gebühren i.d.R. immer entsprechende Kürzungen der staatlichen Hochschulfinanzierung einhergingen (so zuletzt geschehen in Portugal).

Bisweilen stehen die Hochschulen am Ende sogar mit weniger Geld da. Dass sich die gegenwärtigen hochschulpolitischen Probleme mit dem Studiengebühren lösen ließen, darf insofern bezweifelt werden. Anstatt die Hochschulfinanzierung aber auf solide Beine zu stellen, die politische Verantwortung zu übernehmen und Bildung als Grundlage gesellschaftlicher Entwicklung in angemessenem Maße zu unterstützen, handelt es sich eher um einen Umverteilungstrick: Mit der Einführung marktwirtschaftlicher Mechanismen im Bildungssektor soll ein Rückzug der staatlichen Finanzierung einhergehen – die Probleme, die sich aus neoliberaler Hochschulpolitik erst ergaben, werden damit nicht gelöst; der Teufel soll vielmehr mit dem Beelzebub ausgetrieben werden.

Verteilung der Gebühren in Heidelberg – Modell und Wirklichkeit

Die Universität Heidelberg hat ein Modell der Studiengebührenverteilung vorgelegt, in dem vorgesehen ist, die Studiengebühren „so zentral wie nötig, so dezentral wie möglich” zu verteilen. Entsprechend wird der größte Anteil der Gelder an die Ebene der Fächer delegiert. Hier werden beratende Kommissionen gebildet, die Vorschläge zur Verteilung der Gelder erarbeiten (antragsberechtigt sind nicht etwa nur die Kommissionsmitglieder, sondern alle, d.h. Studierende wie Lehrende des entsprechenden Faches). Die Kommissionen bestehen zur Mehrheit aus Studierenden und sind – eben deshalb – nur beratend. Ihr Ergebnis reichen sie an den Fakultätsrat beziehungsweise Fakultätsvorstand der entsprechenden Fakultät weiter (in unserem Fall ist dies die Neuphilologische Fakultät). Sollte der Fakultätsrat sich an die entsprechenden Voten der Kommission halten, so macht die Arbeit einer solchen Kommission – wenn sie Ergebnisse liefert, die eine qualitative Verbesserung des Studiums beabsichtigen und nicht nur das Raushauen von Geld bezwecken – Sinn. Leider musste man in letzter Zeit in vielen Fächern die schmerzliche Erfahrung machen, dass dem nicht immer so ist.

In der Folge stellte sich dann bisweilen die Frage, ob die Mitarbeit in Kommissionen, deren Ergebnisse formal falsch zustande kamen oder gar nicht erst berücksichtigt wurden, noch sinnvoll ist. In Fällen, in denen eine inhaltliche und konzeptionelle Diskussion um nachhaltige qualitative Verbesserungen nicht zustande kamen oder gar ausgebremst wurden, ist dies sicherlich nicht der Fall. Regelmäßige Rücktritte aus Kommissionen waren über das letzte Jahr betrachtet hinweg ebenso zu beobachten wie das Einstimmen in professoralen Jubel. Gut möglich ist jedoch, dass all diese Diskussion sich demnächst erübrigt. Das (neue) Rektorat Eitel war sich, was das Verteilungsmodell anbelangt, recht schnell nicht mehr so ganz sicher, ob die in Heidelberg gängige Praxis vielleicht an der ein oder anderen Stelle rechtswidrig ist und schickte sich deshalb an, Änderungen vorzunehmen.

Ein Beispiel: Die Studiengebührenkommission in der Germanistik

Anfangs verlief die Arbeit in der Studiengebührenkommission Germanistik sehr konstruktiv. Doch nach und nach weckten die großen Studiengebührensummen Begehrlichkeiten und riefen fragwürdige Anträge hervor. Als die Studierenden in der Kommission aber unsinnige Anträge ablehnten, begann man Druck auf sie zu machen, auf dass sie zustimmten. Dies ist insofern verwunderlich, als man auf die Zustimmung der Studierenden gar nicht angewiesen ist, da die Entscheidung über die Gelder im nur aus ProfessorInnen bestehenden Fakultätsvorstand fallen muss, der an die Empfehlungen der Kommissionen auf Fachebene nicht gebunden ist. Der Optik wegen ist man aber immer auf studentische Zustimmung aus und versucht diese zu erhalten – und sie es mit Druck. Nachdem die Arbeit für die studentischen Mitglieder der Kommission so zunehmend unangenehmer wurde, die Kommission nicht ernst genommen, dafür aber deren Mitglieder massiv unter Druck gesetzt wurden, traten die Studierenden aus der Kommission zurück.

Die Gründe dafür legten sie in einem Rücktrittsschreiben dar, das ihr auf der Homepage der Fachschaft Germanistik findet. Der Vorsitzende der Kommission trat ebenso zurück, ohne sein Rücktreten auf die studentischen Mitglieder zurückzuführen. Eine Nachwahl fand erst einmal nicht statt. Da es sich um eine Fakultätskommission handelt, muss diese Wahl im Fakultätsrat stattfinden. Der damalige Geschäftsführende Direktor ernannte sich alsbald nach eigenem Gutdünken zum Vorsitzenden der Kommission, tauschte die Mittelbauvertretung aus und lies eine „Kommission” tagen, die nie gewählt wurde und die damit de jure nicht existent war. Sofern man nicht bereits davon ausgeht, dass es sich bei den beratenden Studiengebührenkommissionen um einen rechtsfreien Raum handelt, ist dies nicht nur in den Augen der Fachschaft als Rechtsbruch zu beurteilen. Dies hielt die Runde derer, die sich da trafen freilich nicht davon ab, einen Großteil des Geldes für Möblierung des Seminars wie für die Sanierung und Absicherung eigener Pfründe auszugeben. Eine Entscheidung, die anschließend vom damaligen Fakultätsvorstand unter Dekan Schnierer per Eilentscheid im Nachhinein „durchgewunken” wurde. Das Rektorat wurde über die Sache informiert und machte hier allgemein von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch. Geschehnisse wie diese gab es in verschiedenen Fakultäten.

Die im Gesetz vorgesehene Rede von der Verfügung der Hochschulen über die Gebührengelder „im Benehmen mit einer Vertretung der Studierenden” wird in einer unschönen Praxis wie dieser Realität. Studentische Mitbestimmung ist dabei offenbar genauso wenig vorgesehen, wie die Einhaltung verfahrenstechnischer Formalia. Nachdem es auf die Dauer doch etwas peinlich erschien, Studiengebühren auf Vorschlag einer Runde von Leuten ausgeben zu lassen, deren Mitglieder nie gewählt wurden, kam der Fakultätsrat  schlussendlich zum Ergebnis, dass eine Wahl der Mitglieder angesetzt werden sollte.

Diese wurde sodann im Fakultätsrat vorgenommen. Damit wurde zumindest einer der formalen Grundsätze, gegen die verstoßen wurde, beachtet. Ob die Zusammenarbeit nun besser klappt oder ob nun verstärkt Entscheidungen am Votum der Kommission vorbei gefällt werden, wird sich noch zeigen. Das Engagement und die Bemühungen einiger DozentInnen, eine Praxis wie die bisherige eben gerade nicht fortzusetzen, darf dabei auch optimistisch stimmen. Bemühungen wie diese basieren nicht auf 500 Euro, sondern ergeben sich auf der Basis gegenseitigen Respekts und eines solidarischen Miteinanders. Dies wiederum ist keine Frage der Bezahlung von und Verhandlung um Gebühren, sondern eine Frage des gemeinsamen Engagements und der hochschulpolitischen Positionierung.